5. Versammlung deutscher Land- und Forstwirte 1841 in Doberan

Was auf dem ersten Blick so lapidar klingt, kann in seiner Bedeutung für die Region eigentlich nicht hoch genug eingeschätzt werden. Da ist es schon etwas erstaunlich, dass dieser Wirtschaftsgipfel, wie man heute sagen würde, wenig bekannt ist. Etwas Vergleichbares gibt es heute nicht mehr. Die MeLa in Mühlengeez ließe sich noch am ehesten mit der damaligen Veranstaltung vergleichen, ist jedoch mehr als Landesschau konzipiert. Die damalige Versammlung deutscher Land- und Forstwirte war eine deutschlandweite Veranstaltung mit internationaler Beteiligung. Dies wird in dem Bericht eindrucksvoll durch die Auflistung der 909 Teilnehmer der Veranstaltung belegt.

Länderschlüssel der Versammlungsteilnehmer 1841
Länderschlüssel der Versammlungsteilnehmer. In der Quelle sind alle 909 Teilnehmer mit Namen, Stand, Wohnort und Land aufgelistet.

Herr Axel Kähler aus Glashagen machte mich auf die umfassende Quelle zu diesem bedeutsamen Ereignis in unserer Region aufmerksam. Für diesen Tipp danke ich ihm.

Einladung zur Versammlung

1842 gab der damalige Geschäftsführer der Versammlung, Prof. Dr. Alexander von Lengerke aus Braunschweig, einen amtlichen Bericht von dieser Veranstaltung heraus. Auf 470 Seiten wird dort ausführlich von der Veranstaltung berichtet.

Auch wenn der Jennewitzer Hofpächter kein offizieller Teilnehmer der Versammlung war, wird er höchst wahrscheinlich dort einzelne Programmpunkte und Schauen besucht und verfolgt haben.
Offizielle Teilnehmer aus unserer Region waren, neben vielen Doberaner Beamten, Kaufleuten und Landwirten, auch Förster Böcler aus Hundehagen, Domänenpächter Burmeister und Pastor Martinsen aus Steffenshagen, Bürgermeister Köper und Apotheker von Santen aus Kröpelin, Gutsbesitzer von Schack aus Wichmannsdorf, Pächter Warnke aus Brusow, …

Eine Schlüsselrolle bei der Organisation der Versammlung vor Ort spielte der in Doberan ansässige Hofapotheker Framm. Bei ihm wurden die Teilnehmer registriert und durch farbige Bänder nach außen kenntlich gemacht. Die Referenten der Fachsektionen bekamen Namensschilder. Über sein Büro lief auch die Quartierzuweisung der auswärtigen Teilnehmer.
Offensichtlich war Doberan damals in der Lage, mehr als 500 Gäste, samt Bediensteten und Equipage, standesgemäß unterzubringen.

An sechs Tagen wurden, binnen Wochenfrist, allgemeine
Sitzungen abgehalten. Als Sitzungsort fand ein großer Speisesaal"
Erwähnung, ohne jedoch näher lokalisiert zu werden (wahrscheinlich der große Festsaal in der heutigen Kreisverwaltung). Auf diesen Sitzungen wurden, neben Geschäftsangelegenheiten und diverser Elogen, auch Fachvorträge gehalten, von der Arbeit und Erkenntnissen der Sektionen berichtet, Tier-, Feld,- und Technikschauen vorgenommen sowie technische, technologische und rechtliche Ratschläge vergeben.

Es wurden aber auch Themen behandelt, die keinen direkten Bezug zur
Land- oder Forstwirschaft hatten. So hielt auf der vierten, allgemeinen
Sitzung ein (Geologie-) Professor von Blücher einen Vortrag über die
geologischen Verhältnisse Mecklenburgs.

Auf der sechsten und letzten Sitzung wurde Resümee gehalten. Vertreter
der Fachsektionen legten Rechenschaft ab und den Prominenten Teilnehmern
wurde Gelegenheit zu Schlussworten gegeben.

Am interessantesten für die meisten Teilnehmer und Tagesgäste dürfte das reichhaltige Rahmenprogramm gewesen sein. Für die auswärtigen Besucher waren die Highlights, mit denen Doberan noch heute in der touristischen Oberliga mitspielen könnte, schon eine Attraktion für sich. Das Münster mit seiner Klosteranlage, der Kamp und die ihn flankierenden klassizistischen Bauten sowie das Ostseebad Heiligendamm brachten Doberan damals maßgeblich in den Zenit seiner überregionalen Bedeutsamkeit. Noch nicht bedrängt von stillosen Zweckbauten, noch weit weg vom Lärm wuseliger Alltagsgeschäftigkeit, durfte die Architektur ihre Mondänität voll entfalten. Damals prahlte der Ort zwar noch nicht mit dem Titel "Bad", konnte dafür aber mit einer, für Kurgäste passenden Infrastruktur aufwarten. Entsprechend blumig-euphorisch, heute würde man fast schon schwülstig sagen, fiel die Beschreibung des Autors von Lengerke aus.

Genauso genussvoll beschrieb der Autor eine Exkursion nach Heiligendamm, von wo aus ihnen Tagesgäste entgegenkamen, die mit einem Dampfschiff von Stralsund nach Heiligendamm gebracht wurden.

Eine Auswahl neuester Ackergeräte luden nicht nur als Ausstellungsstücke zum Fachsimpeln ein, Auf einem Stoppelfelde unweit des Stahlbades wurden Pflüge einem öffentlichen Praxistest unterzogen. Allerdings fiel der wissenschaftliche Gewinn wohl bescheiden aus, wenn ich den Autor richtig verstehe:

… So war auch dieses Mal die Zeit gar zu karg bemessen, es fehlte abermals vergleichendes Bodenmaterial, es gebrach an bewanderten Führern wie an angemessenem Gespann, der Zugang der Neu- und Wißbegierigen und die dadurch veranlagten Inconoenienzen waren zu groß, als das an die Gewinnung eines Resultats auch nur zu denken, viel minder denn letzteres zu berichten wäre. …

Reges Publikumsinteresse fand auch eine Schauvorführung zur Technik des Mergeln auf einem anderen Acker.

Die Sektion Forstwirtschaft lud zu Exkursionen in die umliegenden Wälder bis in die Kühlung ein. Der Autor bedauerte ausdrücklich die fehlende Fernsicht von dort in Richtung holsteinsche Küste, Femern undSeeland, den Darß und Rügen. In der Anlage des Berichtes wurden die, separat abgehaltenen, forstwirtschaftlichen Sitzungen protokolliert.

Erwartungsgemäß waren die Viehschauen ein Publikumsmagnet. Es war die Zeit, wo die Landwirte vermehrt umschwenkten von zufallsgesteuerter Vermehrung ihrer Schafe, Rinder, Schweine und des Kleinviehs zu Zuchten mit wissenschaftlicher Unterstützung. Der Grundstein vieler erfolgreicher Zuchtlinien wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts gelegt. Der damaligen Bedeutung der Schafhaltung trägt ein ausführlicher Bericht der Sektion Schafzucht in der Anlage der Quelle Rechnung.

Ganz anders sah es in der mecklenburgischen Pferdezucht aus. Diese wurde seit Beginn des 19. Jahrhunderts vom Herzoghaus massiv gefördert, was 1841 bereits seine Wirkung zeigte (siehe auch Faksimile). Die Pferdezuchtschauen auf der Land- und Forstwirtversammlung waren zwar nicht als Markt angedacht, bei fast 150 ausgestellten Zuchthengsten und -stuten, waren Randgeschäfte jedoch durchaus erwünscht.

Ein ansprechendes Rahmenprogramm funktionierte auch 1841 nicht ohne gesellige Veranstaltungen. Der Autor räumte seinen Elogen auf abendliche Bälle der hohen Herrschaften viel Platz ein. Anzunehmen ist, dass auch für Pächter, kleinen Beamten sowie Hauswirten und Händlern Abendveranstaltungen geboten wurden. Erwähnung fand auch ein Volksfest auf dem Kampe. Dieses wurde mit einer umfangreichen Ausstellung von Feld- und Gartenfrüchten zu einem Erntefest.

Am versammlungsfreien Sonntag zeigten die Organisatoren so richtig, was sie drauf hatten. Da wurden Schiffsausflüge von Heiligendamm nach Warnemünde geboten, Theatervorführungen und ein abendliches Feuerwerk. Als Stargast brachte Kronprinz Maximilian von Baiern mondänen Glanz nach Doberan.

Die Versammlung wurde auch fachlich und wissenschaftlich gut vorbereitet. Das Programm ist auf der 4. Versammlung der Land- und Forstwirte, 1840 in Brünn (heute Brno), bereits ausgearbeitet und bestätigt worden. Die Arbeit im Vorfeld der Versammlung übernahmen regionale Fachleute mit den Sektionen:

  • Schafzucht, verantwortlich: die Herren Dr. v. Thünen, Pogge, v. Reinecke, v. Lowzow, Jeppe;
  • Rindviehzucht, verantwortlich: Pächter Dabel zu Cammin;
  • Prüfung von Ackergeräten, verantwortlich: F. W. Engel, F. W. v. Grävenitz;
  • Mineralienausstellung, verantwortlich: Prof. H. v. Blücher, Prof. H. Karsten;
  • pomologische Ausstellung (Im engeren Sinne eigentlich die Lehre vom Obstbau, umfasste die pomologische Ausstellung in Doberan ein weites Spektrum von Agrarprodukten (siehe Faksimile unten).), verantwortlich: I. F. W. Jeppe;
  • Pferdezucht, verantwortlich: Bademeister zu Doberan, Herr Stoffer.

Ein bedeutender Programmteil waren die, an drei Tagen abgehaltenen, Pferderennen auf der 1827 professionell ausgebauten Anlage zwischen Doberan und Heiligendamm. Die Ergebnisse der Rennen sind in der Anlage der Quellliteratur aufgelistet. Die Rennen wurden in dreizehn Kategorien ausgetragen (Wobei, interessanterweise die Zahl dreizehn in der Durchnummerierung der Kategorien nicht erscheint. Die letzte, 13. Kategorie wurde der 12. einfach angehängt.):

  1. Friedrich-Franz-Rennen, für kontinentale Vollblüter über zwei englische Meilen um die goldene Peitsche des Herzogs.
  2. Rennen zwei Jahre alter, auf dem Kontinent geborener Pferde über die englische Meile.
  3. Doberan-Güstrower-Rennen mit Pferden unbeschränkter Herkunft und Alters.
  4. Rennen um "Francis Buckle’s Peitsche" mit Kontinentalpferden über zwei Meilen.
  5. Steeple Chase (Feld-Rennen) um den Silberpokal des Herzogs.
  6. Rennen um die von seiner königlichen Hoheit dem allerdurchlauchtigsten Großherzoge Paul Friedrich allergnädigst ertheilten goldenen Peitsche mit Pferden unbeschränkter Herkunft und Alters über eine englische Meile.
  7. Ladie’s Stake mit kontinental geborenen Pferden jeden Alters.
  8. Erster Heat im Alexandrinen-Rennen um den goldenen Pokal der Großherzogin Alexandrine.
  9. Zweiter Heat im Alexandrinen-Rennen um den goldenen Pokal der
    Großherzogin Alexandrine.
  10. Erster Heat im Alexandrinen-Rennen um den silbernen Pokal der
    Großherzogin Alexandrine.
  11. Zweiter Heat im Alexandrinen-Rennen um den silbernen Pokal der Großherzogin Alexandrine.
  12. Erinnerungs-Rennen (Handicap), gestiftet vom Vorstand der Versammlung der deutschen Land- und Forstwirte im Gedenken an Baron G. von Biel, dem Begründer der öffentlichen Pferderennen in Mecklenburg.
  13. Paul’s-Rennen mit kontinentalen Voll- und Halbblütern über eine englische Meile.

Dann gab es noch Rennen der Landleute in Abteilungen. Zu diesen traditionellen Bauernrennen ließ der Autor sich, angesichts hochkarätig besetzter Rennen, zu einigen abfälligen Bemerkungen hinreißen. Etwas relativierte er diese wieder mit der Bemerkung: »Bekanntlich bringt der Bauer seine besten Pferde nicht auf die Rennbahn.« Die meisten Bauern aus der Region, die Pferde ins Rennen schickten, werden den Bericht ohnehin nicht gelesen und ihren Spaß gehabt haben.

Die von mir beschriebene Quelle ist eine brillante Beschreibung der damaligen landwirtschaftlichen Verhältnisse in unserer Region. Sie steht bei Google Books zum kostenlosen Download bereit. Die Urheberrechte an dem Buch sind längst abgelaufen und Google gibt seine Scans für den nichtkommerziellen Gebrauch frei.

Die Versammlungen der Land- und Forstwirte wurden noch lange fortgeführt. Meine Recherche dazu reicht bis zur 28. Versammlung, die 1872 in München stattfand.


Nachtrag:

Dieser Ausschnitt stammt aus dem Bericht von der 6. Versammlung deutscher Land- und Forstwirte 1842 in Stuttgart. Offensichtlich hat dem Pächter der Domäne Jennewitz die 5. Versammlung in Doberan derartig beeindruckt, dass er sich im Folgejahr akkreditieren ließ. Dafür nahm er die weite Reise bis nach Stuttgart in Kauf. [gefunden von Axel Kähler]


Artikel aktualisiert am 09.10.2024