Die Grundsanierung des Jennewitzer Gutshauses ab 1999

Bei der Privatisierung des ehemaligen Gutshauses im Jahr 1998, war dieses in einem baulichen Zustand, der eine gründliche Sanierung unumgänglich machte. Dabei stellte die verschlissene Bausubstanz noch das kleinere Übel dar. Aber nicht nur das Haus befand sich in einem beklagenswerten Zustand. Auf dem Grundstück sah es nicht viel besser aus. Nicht nur, dass die Gärten ehemaliger Mieter seit deren Auszug dem Wildwuchs preisgegeben waren, einige von Ihnen fassten den Begriff Denkmalschutz wohl etwas weiter und hinterließen der Nachwelt auch ihre Schuppen nebst Unrat.

Der Teich im ehemaligen Gutsgarten wurde über Jahrzehnte mit Schutt und Müll verfüllt, sodass im Laufe der Jahre aus der wassergefüllten Senke ein Müllberg wurde (siehe Foto unten). Auch hatten sich auf dem Grundstück Gewohnheiten und vermeintliche Rechte, wie Entsorgungs- und Wegerechte, von Zeitgenossen aus dem Dorf eingeschliffen. Bis zur Privatisierung gehörte das Gelände ja allen – und damit praktisch niemanden.

Eine ungeschönte, aber nicht übertriebene Zustandsbeschreibung erachte ich als wichtigen Baustein einer guten Dokumentation. Daher möchte die Vorliegende nicht als Rumgejammere verstanden wissen. Natürlich war mir der Zustand der Immobilie bekannt, als ich mein Kaufangebot abgegeben habe. Gravierende Überraschungen habe ich während der Sanierung nicht erlebt. Etwas Ironie mag man mir an dieser Stelle nachsehen.

Das Gutshaus hatte ich im November 1998 mit zwei Mietparteien übernommen. Eine war die örtliche, übrigens sehr aktive, Ortsgruppe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), die volles Verständnis für meine Sanierungspläne zeigte. Im Gegenzug ließ ich dem DRK mehr Zeit zur Räumung, wie das Gesetz vorschrieb und kassierte auch keine Miete. Die zweite Mietpartei, eine Familie, die im Dachgeschoss lebte, schlug mein Angebot, mir ab 1. Juli 1999 Baufreiheit zu gewähren und dafür bis dahin mietfrei zu wohnen, leider genauso aus wie meine Hilfe bei der Wohnungssuche und dem Umzug. So wurde daraus ein klassischer Vermieter-Mieter-Streit, der sich bis September 2000 hinzog, für alle Beteiligten unschön war und mit einer gerichtlichen Räumungsandrohung für die Mieter endete.

Baulich wies das Gebäude 1998 folgenden Zustand auf:

Der Haupteingangsbereich wurde in den 1970er Jahren verändert. Der früher durchaus repräsentative Eingang wurde teilweise zugemauert, mit einer kleinen SprelaCart-Tür und einem Industriefenster versehen. Um den Stilbruch perfekt zu machen, bekam der Bereich ein Schleppdach aus Wellasbest und eine seitliche Mauer, die von ihrer Dimensionierung her wohl mal feindliche Panzer aufhalten sollte und optisch sogar nicht zum Gebäude passte..

Auf der Rückseite des Ostflügels befand sich ein Nebeneingang durch ein ehemaliges Fenster mit überdachtem Treppenpodest. Dieser Nebeneingang wurde in den 1950er Jahren eingebaut, um für das Dachgeschoss einen separaten Eingang zu erhalten. Das Ganze war nicht nur ein Stilbruch an der Backsteinfassade, sondern auch obsolet geworden. Der Anbau verdunkelte die ohnehin schon verschattete Hausecke zwischen Ost- und Nordflügel noch mehr.

Im Nordflügel wurde ein Bestandsfenster zugemauert und ein anderes stillos hineingeschlagen. Im Bereich dieses Fensters waren die Backsteine der Fassade durch lange, massive Feuchtigkeitseinwirkung stark geschädigt (siehe Foto). Dabei kam die schädigende Feuchtigkeit aus dem Sanitärtrakt im Inneren des Hauses mit Dusch- und Waschgelegenheiten. Ein gutes Beispiel, wie Mängel im Innenausbau auch 50 cm starke Wände zerstören können.

Das Dach musste ab Sparren komplett erneuert werden, wobei auch diese zum Teil Schäden aufwiesen. Sie hingen teilweise bis 10 cm durch, wegen permanenter Überbelastung und wiesen vereinzelt Feuchtigkeitsschäden auf. Die deutlich über 100 Jahre alten Dachziegel waren im Laufe der Zeit mürbe geworden und die Sparrenzwischendämmung mit Lehmwindeln war für die Dachkonstruktion viel zu schwer. Auch die Gauben waren völlig verschlissen.

Dringend sanierungsbedürftig waren auch die Simse, Ziertürmchen und Schornsteine. An diesen Bauteilen ging der Verschleiß soweit, dass 1996 der westliche Sims des Südgiebels komplett und schlagartig abrutschte. Die Nachbarn dachten zuerst an ein Flugzeugabsturz oder Erdbeben, was man sich leicht vorstellen kann, wenn etwa eine Tonne Ziegelsteine aus knapp zehn Meter Höhe auf den Boden krachen. Nicht vorstellen mag man sich die Auswirkungen, wenn das Ganze auf der anderen Seite, dem Eingangsbereich passiert wäre, und sich noch dazu Personen …

Die Aufgabe im Hausinneren lässt sich mit dem Begriff totale Entkernung am besten zusammenfassen. Von Fenstern und Türen, Elektro- und Wasserinstallation bis Öfen und Schornsteinen war alles verschlissen. Da fiel es kaum mehr ins Gewicht, dass einige ehemalige Bewohner es offensichtlich gut mit mir meinten. Deren Zugaben reichten von Ostseezeitungen aus den 1960er Jahren und Behördenkorrespondenz (die heute unter Datenschutz fallen würde) über Matratzen, alte Stühle und Kleinmaterial bis zu defekten Kühlschränken und Beistellherden.

Die Sanierungsarbeiten am Gebäude

1999 begann die Sanierung des Anwesens. Die wichtigsten Schritte bei diesem Projekt führe ich nachfolgend auf. Dabei ist die aufgeführte Reihenfolge keine Chronologie des Bauablaufs.

  • Die Erstellung eines Projektplanes mit Lageskizzen, Konzeption, Bauzeichnungen, bauphysikalischen Berechnungen und Kostenschätzungen. Geplant war die Herrichtung von Mietwohnungen mit Carport, Pkw-Stellplatz und Garten im Außenbereich.
  • Sicherstellung der Finanzierung des Projektes.
  • Abbruch der Anbauten an den Eingängen.
  • Rückbau des äußeren Kellerzuganges und Verlegung in das Hausinnere.
  • Entkernung des Gebäudeinneren. Dabei wurde das anfallende Abbruchmaterial sorgfältig getrennt in: wiederverwendbare Ziegel- und Lehmsteine, Brennholz, Lehm-Stroh-Gemisch von den Lehmwindeln, mineralisches Füllmaterial, Schrott und Restmüll.
  • Erneuerung der Dacheindeckung, unter Verbesserung der Statik für den Dachstuhl und dem Einbau einer Wärmedämmung.
  • Sanierung der Simse und Ziertürmchen
  • Herstellung der massiven Innenwände nach Plan. Dabei wurden vorrangig recycelte Abbruchsteine verwendet.
  • Verlegung der Innentreppe zum Dachgeschoss in den Bereich des Windfangs im Haupteingang.
  • Auswechslung aller Fenster und Außentüren.
  • Innenausbau laut Projektplan mit Innendämmung der Außenwände mit Mineralfasern und Verlegung eines gedämmten, schwimmenden Estrichs.
  • Installation einer zentral befeuerten Warmwasserheizung, einer Wasserversorgung, eines Abwassersystems sowie einer Elektro- und Telekommunikationsanlage.
  • Zur Endbearbeitung der Innenräume zählen: Einbau der Innentüren, die Malerarbeiten und die Verlegung der Bodenbeläge.
  • Nach Bezug des Gebäudes wurde die Fassade saniert. Dazu gehört die gründliche Reinigung, die Entfernung obsolet gewordener Anbauteile, die Auswechslung defekter Ziegelsteine, eine Imprägnierung der Oberfläche und eine neue Verfugung.

Im Dezember 2002 fand, vor Einzug der ersten Mieter, ein Tag der offenen Tür statt. An diesem wurde die Gelegenheit geboten, das Haus im ganzen zu besichtigen. Davon machten viele Interessierte aus Jennewitz und Umgebung auch Gebrauch. Sie konnten sich davon überzeugen, dass dem Hausinneren auch nach Sanierung eine räumliche Großzügigkeit erhalten blieb und der leicht repräsentative Charakter eines ehemaligen Gutshauses nicht verloren ging.

Die Grundstückssanierung

Zeitgleich mit den Sanierungsarbeiten am Gutshaus wurde auch mit der Umgestaltung des Grundstückes und der Herrichtung der Außenanlagen begonnen. Da die Priorität bei der Gebäudesanierung lag, dauerte die Fertigstellung der Außenanlagen bis etwa Ende 2003. Die wichtigsten Arbeiten waren:

  • Beräumung und Einebnung des Gartenbereiches. Der ehemalige Gartenteich wurde ausgeräumt und mit ökologisch unbedenklichem Material verfüllt.
  • Zur Regenentwässerung wurde die ehemalige Klärgrube zu einem offenen Auffangbecken umgebaut, in das die Dachflächen entwässert werden. Das Schmutzwasser wird in die öffentliche Schmutzwasseranlage eingeleitet. Die Rohre für beide Entwässerungssysteme wurden neu verlegt.
  • Die Anlage von Wegen und Grünflächen wurde neu konzipiert, geplant und durchgeführt. Dabei wurde darauf geachtet, den Anteil versiegelter Flächen so gering wie möglich zu halten.
  • Ebenfalls neu angelegt wurde ein Parkplatz mit Carports, in denen ein abschließbarer Abstellschuppen integriert ist.
  • Der Gartenbereich wurde in Parzellen aufgeteilt und diese den Wohnungen zugeordnet, sodass jeder Mieter etwa 200 Quadratmeter als Garten- oder Freizeitfläche nutzen kann.
Ein Resümee

Wichtig bei der Sanierung des Gutshauses war der Grundstückgemeinschaft Ulf & Rosemarie Lübs, dass der Stil des Hauses als Norddeutscher Backsteinbau erhalten blieb. Darin bestand stets Konsens mit der Denkmalschutzbehörde. Den Charme des Gebäudes sehen die Eigentümer in der dezenten, repräsentativen Komponente der Gestaltung, die jedoch nicht überzogen oder gar protzig wirkt. Durch die Konzeption als dreiflügeliges Bauwerk, wobei der vierte Flügel als Risalit angedeutet wurde, bietet sich dem Betrachter aus jeder Perspektive ein anderes Bild und von keinem Standort ist die Gesamtheit des Hauses zu überblicken. Es freut uns, dass auch die Nachbarn, als Besitzer ehemaliger Zweckbauten des Gutshofes, durch liebevolle Gestaltung ihrer Anwesen dem Gesamtensemble zunehmend Charakter verleihen.

Siehe auch:


Artikel aktualisiert am 09.10.2024