Schwer widerlegen lassen dürfte sich meine Behauptung: » Es gibt in Mitteleuropa kaum einen Quadratmeter Landfläche, der nicht schon von Menschen berührt wurde. « Damit will ich sagen, wir leben weniger in einer Naturlandschaft, als viel mehr in einer Parklandschaft.
Die Slawen hatten sich noch weitgehend der Natur angepasst und Eingriffe in diese auf punktuelle Rodungen beschränkt. Dabei spielte sicherlich der Mangel an Möglichkeiten die Hauptrolle und wohl weniger eine ökologische Lebensphilosophie. In Jennewitz fanden sie ein Hochplateau mit fruchtbarem Boden am Rande der Kühlung vor. Mit gut hundert Meter über dem Meeresspiegel gelegen, genossen die slawischen Einwohner von Jennewitz sicher auch schon die von exponierten Punkten gebotene Aussicht. Der Blick in Richtung Osten, der bei klarem Wetter bis weit in die Rostocker Heide reicht, bot damals reichlich Wald, während heute die Stadt Rostock das dominierende Bild ist. In Richtung Süden schauend, sahen unsere Vorfahren auch schon, was bei ihren Nachbarn in Kröpelin oder Neubukow so los war, während im Nordosten noch höhere, bewaldete Hügel der Kühlung die Fernsicht versperrten.
Die Westfälischen Siedler, die im Schlepptau der Doberaner Mönche unsere Region besiedelten, passten da schon durch massive Rodungen die Natur an ihre Erfordernisse an. Eine sprunghafte Zunahme der Besiedelungsdichte in unserer Region sorgte für viel Bedarf an Acker- und Weideland. Die Nachbarorte Steffenshagen, Hundehagen, Boldenshagen und Dietrichshagen sind als Neugründungen aus dieser Zeit ein gutes Beispiel für diese Entwicklung. Nach derzeitigem Konsens in der Geschichtsforschung, mussten die Siedler ihre Landwirtschaftsflächen aus dem Urwald herausroden. Das dabei angefallene Holz war, neben dem fast überall verfügbaren Lehm, ein willkommener Baustoff.
Ein Übriges für die Schrumpfung der slawischen Urwälder tat die riesige Nachfrage nach Holz durch die prosperierende und expandierende Hanse. Weniger bekannt dürfte sein, dass die Hanse nicht nur Unmengen Holz für ihre Schiffe benötigte, sondern durchaus vergleichbare Mengen für ihre Fässer. Diese kann man getrost als Container der Hansezeit bezeichnen. In ihnen wurde ein großer Teil der damaligen Handelsgüter transportiert.
1794 veröffentlichte Friedrich Wilhelm Karl von Schmettau eine Generalkarte Mecklenburgs im Maßstab 1 : 225.000. Diese gilt als erste exakt vermessene Karte von Mecklenburg und diente als Grundlage für viele später erschienene Landkarten. Grundlage für seine Arbeit war wiederum das Werk von Carl Friedrich von Wiebeking, Architekt, Wasserbau-Ingenieur und Landvermesser. Redaktionsschluss, und somit der Referenzzeitraum des Schmettauschen Kartenwerks, war um 1787. Der Kartenausriss für unsere Region lässt erkennen, dass sich in der Topografie seither wenig verändert hat. Lediglich der Waldanteil in der Kühlung scheint heute größer zu sein.
Dafür hat sich die Wegführung seit 1787 deutlich gewandelt. Jennewitz ist im Schmettauschen Kartenwerk als kompakter, einzeln stehender Hof klassifiziert, der Direktverbindungen nach Kröpelin, Bollenhagen und Gersdorf hatte. Der Weg von Kröpelin nach Brunshaupten, dem heutigen Kühlungsborn, führte gegenüber der gegenwärtigen Straßenführung weiter westlich an Jennewitz vorbei. Die Wege zwischen Diedrichshagen über Jennewitz und Hundehagen nach Reddelich sowie zwischen Kröpelin über Hundehagen nach Steffenshagen entsprechen in etwa der heutigen Straßenführung. Bereits für die Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts von Straßen zu sprechen, wäre wohl etwas vermessen. Ich kenne zwar den damaligen Zustand der Wege um Jennewitz nicht im Detail, eine zeitgenössische Zustandsbeschreibung der Straßen und Wege in Mecklenburg spricht aber eine eindeutige Sprache. (Siehe Bild links)
Der nebenstehende Ausschnitt einer Wanderkarte, die um 1905 verlegt wurde, vermittelt einen guten topografischen Überblick. Deutlich zu erkennen ist der Standort der Jennewitzer Windmühle. Von den drei Büdnereien ist lediglich die an der Wegkreuzung Steffenshagen-Reddelich-Kröpelin-Jennewitz eingezeichnet. Gut zu erkennen ist auch die damalige Wegeführung, die erkennbar anderen Prämissen folgte, wie die Heutige. Augenscheinlich sind nach Redaktionsschluss, also vor 1905, noch Waldflächen neu aufgeforstet worden.
Die Schulkarte aus besten DDR Zeiten zeigt deutlich die bekannte Paranoia der Administration in ihrer Informationspolitik. Die Karte lässt sich bestenfalls als schematische Übersicht verwenden, denn wirkliche, detaillierte, Informationen kann man ihr nicht entnehmen. So ist die Jennewitzer Windmühle auf ihrem Standort aus dem 18. Jahrhundert eingezeichnet. Der Feindesverwirrung sollten wohl auch fehlende oder falsch eingezeichneten Wasser- und Wegeführungen dienen.
Artikel aktualisiert am 10.10.2024