Um mit den zeitgenössischen Begriffen sicher hantieren zu können, hilft vieleicht nachfolgender Exkurs zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in Mecklenburg. Wie immer und überall war auch das Ständewesen in Mecklenburg nie eine statische Angelegenheit sondern immer in Bewegung. Da ist es nicht einfach, diese Entwicklung zu beschreiben, ohne eine trockene, langweilige Abhandlung zu verfassen. Ich versuche es trotzdem.
Adel, Bauern und Gesinde gab es auch schon bei der slawischen Urbevölkerung. Mit der Christianisierung des frühen Mecklenburgs kam der Klerus noch dazu. Die Kirche verstand es, ihre Macht immer weiter auszubauen. Sie war der Motor zur Besiedelung Mecklenburgs mit deutschen Bauern und verstand es, ihre Interessen geschickt und strategisch, also langfristig denkend, durchzusetzen. In den neugegründeten Dörfern hatten die Klöster, als Speerspitze der Kirche, fast immer einen Hof. Dieser wurde von Konversen bewirtschaftet und die Bauern des Dorfes leisteten dort ihre Abgaben und Dienste.
In den Dörfern, mit denen Ritter durch die Herrscher Mecklenburgs belehnt wurden, lief es ähnlich ab. Statt der Konversen hatten dort in der Regel die Verwalter der Ritterschaft, die wiederum Vasallen des Herzogs waren, das Sagen.
Damit wären auch schon zwei wichtige Säulen des Standeswesen im mittelalterlichen Mecklenburg umrissen. Neben Klerus, Herzog und Ritterschaft beteiligten sich an dem permanenten Gezerre um Macht und Privilegien auch die Städte. Diese hatten mit der Hanse ein mächtiges Bündnis in der Hinterhand.
In diesem Machtpoker überzog der Klerus, was im 16. Jahrhundert schließlich zur Spaltung der Kirche in Katholiken und Protestanten führte. Im Zuge dieser Reformation beschloss der Landtag von Mecklenburg 1549, die Ständevertretung des Landes, den evangelischen Glauben zur Staatsreligion zu erheben. Für die katholischen Klöster des Landes bedeutete dies die Säkularisation und damit einhergehend die Enteignung. Nun muss niemand die katholische Kirche besonders bemitleiden. Sie ist noch heute die reichste Glaubensgemeinschaft Deutschlands. Sie rafft, was sie kriegen kann – natürlich nur zum Wohlgefallen ihres Gottes.
Die niederen Stände, also Bauern, Handwerker, Tagelöhner und Gesinde, waren die Manövriermasse, auf deren Rücken die Streitigkeiten ausgefochten wurden. Ruhiggestellt mit Versorgungsansprüchen und kleinen Privilegien, konnten diese nur ohnmächtig zuschauen, wie gigantische Werte in sinnlosen Streitigkeiten vernichtet wurden. Da waren unsere Vorfahren auch nicht klüger als wir.
Die Neuausrichtung des europäischen Machtgefüges im Zusammenhang mit der Reformation, führte schließlich in die ultimative Katastrophe – den Dreißigjährigen Krieg. Mit dem Westfälischen Frieden endete dieser 1648 und es begann in Europa das große Wundenlecken, was sich in Mecklenburg sehr lange hinzog. Aber auch hier wurde die Kirche aus der weltlichen Macht weitestgehend herausgedrängt. Dass diese sich diesen Machtverlust bis heute teuer bezahlen lässt, ist eine andere Geschichte.
Über den Stand der Leibeigenen, der durch den Dreißigjährigen Krieg eine fragwürdige Blütezeit erreichte, haben andere Autoren ausführlich und viel besser berichtet als ich es kann. Man findet dazu Abhandlungen aus der Sicht sämtlicher Weltanschauungen. Ich möchte lediglich darauf verweisen, dass auch die Leibeigenen nie völlig rechtlos waren. Auch ihnen wurden, per Gesetz, Versorgungsansprüche und Privilegien zugestanden. Und mal Hand aufs Herz, gibt es nicht noch heute, mitten in einer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaftsordnung, viele Zeitgenossen, die es sich gerne in einem fremdbestimmten Leben bequem machen?
1755 kam es zum Abschluss des Landesgrundgesetzlichen Erbvergleichs zwischen den herrschenden Herzögen und den Ständen, den etwa 600 Rittergutsbesitzern und den 42 Städten. Dieser wurde mit seinen 25 Artikeln und 530 Paragraphen zum ständischen Grundgesetz Mecklenburgs. Aufgeteilt war das Land in das herrschaftliche Domanium, das etwa 45 Prozent der Gesamtfläche Mecklenburgs umfasste, in das etwa gleichviel Fläche enthaltende Territoriums der Ritterschaft sowie das der Städte. Jährlich fanden Landtage mit der Ritterschaft und den Vertretern der Städte, im Wechsel in Sternberg und Malchin, statt. Die Regierungsarbeit im Land wurde durch die Herzöge, aus den Einkünften aus dem Domanium und aus einer ordentlichen Steuer finanziert. Auf dem Lande wurden letztere nach Hufe und Bodenqualität berechnet. Dazu wurde in einer aufwendigen zwanzigjährigen Arbeit das Land vermessen. Außerordentliche Steuern mussten vom Landtag beschlossen werden.
In Mecklenburg lebten zu dieser Zeit etwa 150.000 Einwohner, die in strengen Hierarchien eingeteilt waren. Die städtischen Stände werde ich an dieser Stelle nicht weiter betrachten. Dazu verweise ich auf auf einschlägige Quellen.
Landwirtschaftliche Wirtschaftseinheiten im Domanium 1865
Siehe auch:
Artikel aktualisiert am 09.10.2024